Oft genügt bereits ein Augenblick und das Unglück ist geschehen. Unfälle ereignen sich leider täglich, und sowohl als Notärzte, als auch als Eltern sehen wir Notfallsituationen wie Verbrennungen, Verschlucken, Stürze oder blutende Wunden immer wieder.
So verhältst du dich richtig in Notfallsituationen
Ein Notfall bei unserem eigenen Kind ist wohl eine der schlimmsten Erfahrungen, die wir als Eltern machen können. In solchen Momenten sind Kinder besonders auf ihre Eltern angewiesen. Allerdings lässt sich vieles, was Eltern beispielsweise in einem Erste-Hilfe-Kurs für den Führerschein gelernt haben, nicht einfach auf Babys und Kleinkinder übertragen. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, die Versorgung während einer Notfallsituation unterscheidet sich teilweise von der, wie sie für Erwachsene erforderlich ist Die notwendigen Maßnahmen für den Notfall lassen sich aber gut erlernen, um sie im Falle des Falles präsent zu haben. Dr. med. Annalena Dehé und Dr. med. Lukas Dehé von 12minutes.de stellen euch hier die häufigsten Notfälle vor und, wie ihr in den Situationen am besten handeln könnt.
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Verschlucken (Fremdkörperaspiration)
Beim Verschlucken gelangt ein Fremdkörper in die Luftröhre, in einigen Fällen sogar tiefer in die Lungenäste. Fremdkörperaspirationen treten besonders häufig bei Babys und Kindern im Alter zwischen 6 Monaten und 5 Jahren auf. Ab einem Alter von etwa 5 bis 6 Monaten erkunden Babys ihre Umgebung oft mit dem Mund und stecken dabei alles Mögliche hinein.
Häufig verschluckte Fremdkörper sind beispielsweise Nahrungsmittel wie Nüsse, Weintrauben, Popcorn und Karottenstücke, sowie kleinere Spielzeugteile wie Perlen, Murmeln, Holz- oder Plastikbausteine die Babys gern in den Mund nehmen. Besonders gefährlich sind auch spitze Gegenstände wie Nadeln, Schrauben und Nägel, da sie Verletzungen verursachen können, sowie Teile von Folien oder Luftballons, die nur schwer abgehustet werden können.
Die akute Atemnot stellt für Kinder und Eltern eine sehr belastende Situation dar, und die aufkommende Panik kann die kritische Situation weiter verschlimmern. Daher ist es wichtig, die Ursache schnell zu erkennen und sofort zu handeln. Eine Beatmung (Atemspende) oder eine Herzdruckmassage ist beim Verschlucken das letzte Mittel der Wahl, solange euer Säugling effektiv hustet oder der Heimlich-Griff anschlägt.
Effektiver Husten bei Fremdkörperaspiration
Wenn euer Kind bei normaler Atmung hustet, schreit, weint oder mit euch spricht, besteht wahrscheinlich vorerst kein akuter Notfall. In diesem Fall spricht man von "effektivem Husten". Ihr könnt kurz in den Mund eures Kindes schauen und sichtbare Fremdkörper entfernen. Aber ihr solltet keinesfalls nach Fremdkörpern im Rachenbereich tasten, die ihr nicht sehen könnt. Wenn der Husten effektiv ist, solltet ihr abwarten, bis der Fremdkörper von selbst abgehustet wird. Nichts ist effektiver als das eigene Husten. Deshalb ermuntert euer Kind weiter zu husten und überwacht es kontinuierlich, ohne die Atmung von außen zu beeinflussen.
Ineffektiver Husten = Notfall
Wenn das Husten eures Kindes ineffektiv wird, befindet es sich in unmittelbarer Gefahr. Anzeichen dafür können eine abnehmende Bewusstseinslage, leiser werdender Husten, Probleme beim Einatmen zum Husten oder Sprechen sowie eine Blauverfärbung der Haut sein. In solchen Fällen ist es dringend erforderlich, sofort den Rettungsdienst zu alarmieren und schnell zu handeln. Solange euer Kind bei Bewusstsein ist, legt ihr es idealerweise mit dem Bauch auf den Unterarm oder Schoß in einer Kopf-Tieflage und stabilisiert den Kopf mit der Hand. Anschließend gebt ihr dosierte, kräftige Schläge mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter. Diese Schläge sollten maximal fünfmal wiederholt werden, wobei das Ziel darin besteht, den Fremdkörper möglichst mit einem einzigen Stoß zu entfernen. Falls die Schläge auf den Oberkörper den Fremdkörper nicht beseitigen, können bei Kindern unter einem Jahr bis zu fünf Thoraxkompressionen (Herzdruckmassage) in Kopf-Tieflage durchgeführt werden. Dafür drückt ihr kräftig auf den Brustkorb.
Wichtig: Die klassische Seitenlage wäre hier als Maßnahme nicht angebracht.
Das Heimlich-Manöver bei Kindern ab 1
Ist dein Kind mit Atemnot bereits über ein Jahr alt, kannst du nach den fünf Schlägen auf den Rücken bis zu fünfmal das Heimlich-Manöver durchführen. Dabei wird durch ruckartige Oberbauchkompressionen der Druck in der Lunge stark erhöht, um den Fremdkörper auszustoßen. Es ist äußerst wichtig, dieses Notfallmanöver vorher praktisch zu üben! Die fünf Schläge auf den Rücken und der Heimlich-Griff bzw. die Thoraxkompressionen bei Kindern unter einem Jahr kannst du abwechselnd wiederholen, bis effektiver Husten eintritt oder der Fremdkörper entfernt ist und sich die Atmung stabilisiert hat.
Verbrennungen und Verbrühungen
Verbrennungen treten häufig auf und können zu schwerwiegenden Komplikationen führen. Besonders häufig betroffen waren Babys und Kinder unter 3 Jahren, wobei etwa 70% der Brandverletzungen bei Kindern Verbrühungen waren.
Die Symptome und Schäden einer Verbrennung hängen von der Tiefe der Verletzung ab und reichen von Rötung, Schmerzen und Blasenbildung bis hin zur Verkohlung.
Als erste Maßnahme nach einer Verbrennung kannst du die betroffene Stelle unter lauwarmes (ca. 20 Grad Celsius) fließendes Wasser halten, um die Wärme aus der verbrannten Haut zu entfernen. Es ist wichtig, dies nur für 10 Minuten und nur bei kleinen Körperteilen durchzuführen, um Schmerzen und Schwellungen zu reduzieren und das Risiko von Komplikationen wie Narbenbildung zu minimieren. Lass die verbrühte oder verbrannte Haut aber nicht länger als 10 Minuten unter dem Wasser, um eine Unterkühlung zu vermeiden. Danach deckst du die Wunde mit einem sterilen Verband ab. Am besten eignet sich ein Verband mit Vlies- oder Metallbeschichtung, da dieser nicht an der Wunde deines Säuglings oder Kleinkindes haften bleibt. Das erspart euch spätere Schmerzen und Blutungen beim Verbandswechsel, was die Heilung zusätzlich verzögern könnte.
Bitte verwende keine kühlenden Gele oder ähnliche Produkte auf der verbrannten Stelle, da dies im schlimmsten Fall zu einer starken Entzündungsreaktion und Gewebeschädigung führen kann.
Bei kleinen, oberflächlichen Verbrennungen solltet ihr sofort bei einem Kinderarzt oder in einer Notaufnahme vorbeischauen. Grundsätzlich sollten jedoch alle Verbrennungen mit Blasenbildung ärztlich im Krankenhaus beurteilt werden. Am besten rufst du den Rettungsdienst an, die Leitstelle kann dir eine geeignete Klinik vor Ort empfehlen.
Bei größeren Verbrennungen, bei denen die Kleidung bereits eingeschmolzen ist oder an der Haut haftet, lasst ihr das vorerst so und ruft sofort den Rettungsdienst. Er unternimmt dann gegebenenfalls weitere Schritte, um die Kleidung zu lösen.
Sturz auf den Kopf - Gehirnerschütterung
Sehr häufig fallen Kinder vom Wickeltisch, vom Sofa oder aus dem Bett. Das passiert öfter, als man denkt und meistens tragen die Kinder keinen Schaden davon.
Prüfe als erstes, ob euer Kind stark blutet oder offensichtliche Verletzungen erlitten hat. Wenn es nach einem Kopfsturz nur kurz weint, sich normal verhält und sich lediglich eine kleine Beule bildet, könnt ihr vorerst zu Hause bleiben und müsst nicht sofort den Kinderarzt oder die Notaufnahme aufsuchen. Es ist jedoch wichtig, das Kind für die nächsten 6 bis12 Stunden sorgfältig zu beobachten. Ihr könnt die Beule in den ersten 10 Minuten nach dem Sturz kühlen. Falls euer Kind abends auf den Kopf fällt, besteht die Gefahr, dass ihr während des Schlafes das Kind und seinen Zustand nicht angemessen beurteilen könnt und die Situation falsch einschätzt. In diesem Fall ist es besser, ihr bringt euren Säugling beziehungsweise euer Kleinkind in die Notaufnahme.
Wenn der Sturz aus größerer Höhe erfolgt ist, also aus einer Höhe von über 1 Meter oder der doppelten Körpergröße, kann es zu einem Schädel-Hirn-Trauma mit Beeinträchtigung der Hirnfunktion kommen. Die bekannte "Gehirnerschütterung" ist die mildeste Form eines Schädel-Hirn-Traumas. Achtet auf folgende Symptome und alamiert bei deren Auftreten sofort den Notarzt:
- Das Kind war nach dem Sturz kurzzeitig bewusstlos oder hatte sogar einen Krampfanfall.
- Das Kind zeigt ungewöhnliches Verhalten, das von seinem normalen Verhalten abweicht.
- Das Kind berührt auffällig oft den Kopf und zeigt Anzeichen für Kopfschmerzen nach dem Sturz.
- Das Kind kann nicht mehr eigenständig sitzen, stehen oder laufen, obwohl es dies bereits gelernt hat.
- Das Kind erbricht oder, wenn es bereits sprechen kann, klagt über Übelkeit.
- Das Kind kann bereits sprechen und gibt an, dass es Doppelbilder sieht, Schwindelgefühle hat oder ein- oder beidseitig nicht mehr richtig hören kann.
- Wenn du nach dem Sturz bemerkst, dass Blut aus Nase oder Ohr austritt oder auch eine klare Flüssigkeit (Hirnwasser ist sehr dünnflüssig).
Ein Sturz auf den Kopf ist häufig und meistens harmlos! Aber wenn ihr nach einem Sturz Symptome entdeckt, die auf ein Schädel-Hirn-Trauma hindeuten, scheut euch nicht, den Rettungsdienst zu alarmieren. Als Ersthelfer ist es eure Aufgabe vor Ort, eurem Kind beizustehen. Notarzt und Rettungsdienst übernehmen im Falle des Falles, um euer Kind bestmöglich medizinisch zu versorgen.
Vorbereitung ist wichtig
Es ist besonders wichtig, dass ihr euch bestmöglich auf Notfallsituationen bei eurem Kind vorbereitet. Daher raten wir dringend, einen Erste-Hilfe-Kurs für Babys und Kinder zu absolvieren, bei dem vor allem praktische Übungen im Vordergrund stehen.
Eure Dr. med. Annalena Dehé und Dr. med. Lukas Dehé von 12minutes.de
Dieser Beitrag ersetzt keine ärztlichen Behandlungen, er dient lediglich der Information.